Nahost – Allgemein

Begriffsdeffinitionen

Judentum
Zionismus
Antisemetismus
Islam

Judentum

Das Judentum ist eine der ältesten monotheistischen Religionen der Welt und bildet die Grundlage für das Christentum und den Islam. Es ist geprägt von einer reichen Geschichte, tiefen spirituellen Traditionen und einem komplexen System von Gesetzen und Ethik. Das Judentum kann in Bezug auf Theologie, Praxis, Kultur und Ethik beschrieben werden. Eine zentrale These des Judentums ist die Vorstellung des „auserwählten Volkes“.

Theologie und Glaube

Monotheismus: Das Judentum ist strikt monotheistisch und glaubt an einen einzigen, allmächtigen, allwissenden und allgegenwärtigen Gott, der Schöpfer des Universums ist. Dieser Gott wird im Hebräischen als JHWH (Jahwe) bezeichnet.

Glaubensbekenntnis: Das zentrale Glaubensbekenntnis des Judentums ist das „Sch’ma Jisrael“, das in 5. Mose 6,4 steht: „Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr ist einzig.“ Dieses Bekenntnis unterstreicht die Einzigartigkeit und Einheit Gottes.

Heilige Schriften

Tanach: Die heiligen Schriften des Judentums sind im Tanach zusammengefasst, der aus drei Teilen besteht:

  • Tora: Die fünf Bücher Mose, die als grundlegende Offenbarung Gottes gelten und die Gesetze und Gebote enthalten.
  • Nevi’im: Die Prophetenbücher, die die Geschichte Israels und die Worte der Propheten enthalten.
  • Ketuvim: Die Schriften, eine Sammlung von poetischen und philosophischen Werken, wie Psalmen, Sprüche und das Buch Hiob.

Talmud: Neben dem Tanach ist der Talmud ein zentraler Text des Judentums. Er besteht aus der Mischna (die mündliche Tora) und der Gemara (Kommentare zur Mischna). Der Talmud enthält Diskussionen und Interpretationen der jüdischen Gesetze und Traditionen.

Religiöse Praxis

Gebote und Verbote: Das Judentum legt großen Wert auf die Einhaltung von Mitzwot (Geboten). Es gibt 613 Gebote, die verschiedene Aspekte des Lebens betreffen, von rituellen Praktiken bis hin zu ethischen Handlungen.

Gebet und Gottesdienst: Gebet spielt eine zentrale Rolle im jüdischen Leben. Traditionelle Juden beten dreimal täglich: Schacharit (Morgengebet), Mincha (Nachmittagsgebet) und Ma’ariv (Abendgebet). Der Schabbat (Sabbat) und die jüdischen Feiertage sind wichtige Zeiten des Gottesdienstes und der Gemeinschaft.

Speisegesetze: Die Kaschrut (Speisegesetze) bestimmen, welche Lebensmittel gegessen werden dürfen und wie sie zubereitet werden müssen. Zum Beispiel sind Schweinefleisch und Schalentiere nicht koscher, und Milchprodukte dürfen nicht zusammen mit Fleisch gegessen werden.

Kulturelle und ethische Dimensionen

Gemeinschaft und Identität: Die jüdische Gemeinschaft (Kehilla) spielt eine zentrale Rolle im Leben der Gläubigen. Das gemeinsame Feiern von Festen, das Lernen in der Gemeinschaft und die gegenseitige Unterstützung sind wichtige Aspekte des jüdischen Lebens.

Ethik und soziale Gerechtigkeit: Das Judentum betont stark die Bedeutung von Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Nächstenliebe. Das Konzept von Tikkun Olam (Reparatur der Welt) ermutigt Juden, sich für soziale Gerechtigkeit und das Wohl der Gemeinschaft einzusetzen.

These des „auserwählten Volkes“

Biblische Grundlage: Die Vorstellung des „auserwählten Volkes“ geht auf biblische Texte zurück, insbesondere auf 5. Mose 14,2: „Denn du bist ein heiliges Volk dem Herrn, deinem Gott; und der Herr hat dich erwählt, dass du ihm ein Volk des Eigentums seiest aus allen Völkern, die auf Erden sind.“

Theologische Bedeutung: Diese These bedeutet, dass die Juden von Gott ausgewählt wurden, um seine Gebote zu empfangen und zu befolgen und um als Licht für die Nationen zu dienen. Es ist ein Ausdruck der besonderen Beziehung zwischen Gott und dem jüdischen Volk, die mit dem Bund mit Abraham, Isaak und Jakob begann und am Sinai erneuert wurde.

Missverständnisse und Missbrauch: Die Idee des „auserwählten Volkes“ wird manchmal missverstanden oder missbraucht. Sie bedeutet nicht, dass Juden intrinsisch besser sind als andere Völker, sondern dass sie eine besondere Verantwortung haben, die Gebote Gottes zu erfüllen und ethisch zu handeln.

Moderne Perspektiven: In der modernen jüdischen Theologie wird die Idee oft so interpretiert, dass das jüdische Volk eine besondere Mission hat, durch sein Verhalten und seine Gebote ein Vorbild für moralisches und ethisches Handeln zu sein.

Zionismus

Der Zionismus ist eine ideologische und politische Bewegung, die im späten 19. Jahrhundert entstand und das Ziel verfolgte, eine nationale Heimstätte für das jüdische Volk im historischen Land Israel (Palästina) zu schaffen und zu sichern. Diese Bewegung wurde maßgeblich von Theodor Herzl geprägt, einem österreichisch-ungarischen jüdischen Journalisten und Schriftsteller, der oft als Vater des modernen politischen Zionismus bezeichnet wird.

Theodor Herzl und der Zionismus

  1. Hintergrund und Motivation:
    • Theodor Herzl (1860–1904) war zutiefst betroffen vom Antisemitismus, den er während des Dreyfus-Skandals in Frankreich beobachtete. Dieser Fall, in dem ein unschuldiger jüdischer Offizier wegen Verrats angeklagt wurde, zeigte Herzl, dass Juden in Europa keine echte Sicherheit oder Gleichberechtigung erlangen konnten.
    • Herzl kam zu dem Schluss, dass die Assimilation der Juden in die europäischen Gesellschaften keine Lösung für den Antisemitismus sei. Stattdessen argumentierte er, dass die einzige Lösung in der Schaffung eines eigenen jüdischen Staates liege.
  2. Schriften und Ideen:
    • Herzls zentrales Werk, „Der Judenstaat“ (1896), legte den Grundstein für den politischen Zionismus. Darin argumentierte er, dass die Juden eine Nation seien, die einen eigenen Staat benötige, um sicher und frei leben zu können.
    • Er schlug vor, dass dieser Staat im historischen Land Israel gegründet werden sollte, obwohl er auch andere mögliche Orte wie Argentinien erwähnte.
  3. Politische Aktivitäten:
    • 1897 organisierte Herzl den ersten Zionistischen Kongress in Basel, Schweiz, wo er die Gründung der Zionistischen Organisation (ZO) ankündigte. Diese Organisation sollte das jüdische Volk in seinem Bestreben nach einer nationalen Heimstätte koordinieren und vertreten.
    • Herzl arbeitete intensiv daran, internationale Unterstützung für die zionistische Sache zu gewinnen. Er traf sich mit verschiedenen Staatsoberhäuptern und Politikern, um Unterstützung für die Gründung eines jüdischen Staates zu erhalten.
  4. Vision und Vermächtnis:
    • Herzls Vision war es, durch diplomatische und politische Mittel die Gründung eines jüdischen Staates zu erreichen. Er setzte sich für legale und friedliche Wege ein, um Land zu erwerben und eine jüdische Souveränität zu etablieren.
    • Obwohl Herzl 1904 starb, bevor seine Vision realisiert wurde, legte er den ideologischen und organisatorischen Grundstein für den Zionismus, der schließlich 1948 zur Gründung des Staates Israel führte.

Zentrale Elemente des Zionismus in Verbindung mit Herzl

  1. Nationale Selbstbestimmung: Herzl betonte das Recht des jüdischen Volkes auf nationale Selbstbestimmung und einen eigenen Staat, in dem es seine kulturelle und religiöse Identität frei ausleben kann.
  2. Historische und religiöse Verbindung: Der Zionismus sah das Land Israel als historische Heimat der Juden, mit tiefen religiösen und kulturellen Bindungen, die bis in biblische Zeiten zurückreichen.
  3. Rückkehr zum Land: Herzl förderte die Idee der Rückkehr jüdischer Diaspora-Gemeinschaften nach Israel, bekannt als „Aliyah“, und die Einwanderung und Wiederansiedlung von Juden im Land Israel.
  4. Überwindung von Antisemitismus: Herzl argumentierte, dass ein eigener jüdischer Staat notwendig sei, um die Sicherheit und das Wohlstand der Juden weltweit zu gewährleisten und dem Antisemitismus entgegenzuwirken.

Antisemitismus

Antisemitismus ist eine Form von Vorurteilen, Feindseligkeit oder Diskriminierung, die sich gegen Juden als ethnische oder religiöse Gruppe richtet. Dieser Begriff umfasst eine Vielzahl von negativen Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber Juden und ist in verschiedenen historischen, sozialen und kulturellen Kontexten aufgetreten.

Definition und Ursprung des Begriffs

Definition: Antisemitismus bezeichnet alle Arten von Judenfeindschaft, die auf religiösen, rassischen, kulturellen oder politischen Vorurteilen basieren. Diese Feindseligkeit kann sich in individuellen oder kollektiven Einstellungen und Handlungen manifestieren, die darauf abzielen, Juden zu diskriminieren, zu marginalisieren oder zu schädigen.

Ursprung: Der Begriff „Antisemitismus“ wurde im späten 19. Jahrhundert von dem deutschen Journalisten Wilhelm Marr geprägt, um die rassistisch motivierte Judenfeindlichkeit von der traditionellen religiösen Judenfeindlichkeit zu unterscheiden. Marr und andere propagierten die Idee, dass Juden eine eigene, minderwertige Rasse seien, die mit der „arischen“ Rasse unvereinbar sei.

Historische Wurzeln

Religiöser Antisemitismus:

  • Mittelalter: Juden wurden oft als „Christusmörder“ bezeichnet und für Krankheiten, Naturkatastrophen und andere Unglücke verantwortlich gemacht. Sie wurden in vielen europäischen Ländern verfolgt, in Ghettos gesperrt und zu Zwangskonversionen gezwungen.
  • Frühe Neuzeit: Inquisitionen und Zwangsvertreibungen (z.B. aus Spanien 1492) prägten diese Epoche. Der religiöse Antisemitismus wurde durch theologische Doktrinen verstärkt, die Juden als „Gottesmörder“ und „Feinde des Christentums“ betrachteten.

Wirtschaftlicher Antisemitismus:

  • Frühe Neuzeit und Moderne: Juden wurden häufig als Wucherer und habgierige Händler dargestellt, was zu wirtschaftlicher Diskriminierung und Ausschreitungen führte. Diese Stereotype wurden in Zeiten wirtschaftlicher Krisen oft verstärkt.

Rassistischer Antisemitismus:

  • 19. und 20. Jahrhundert: Mit dem Aufstieg des Nationalismus und pseudowissenschaftlicher Rassentheorien wurden Juden zunehmend als „rassische Bedrohung“ dargestellt. Diese Form des Antisemitismus war besonders virulent in der Ideologie des Nationalsozialismus, die zur systematischen Verfolgung und Ermordung von sechs Millionen Juden im Holocaust führte.

Moderne Manifestationen

Politischer Antisemitismus:

  • Anti-Israelische Haltungen: Kritik an der Politik des Staates Israel kann manchmal antisemitische Untertöne annehmen, insbesondere wenn sie auf jüdische Menschen weltweit projiziert wird oder Israel das Recht auf Existenz abgesprochen wird.

Sozialer und kultureller Antisemitismus:

  • Stereotype und Vorurteile: Antisemitische Stereotype, wie der „reiche Jude“ oder der „machtgierige Jude“, sind nach wie vor weit verbreitet und finden sich in Medien, Literatur und Kunst wieder.
  • Diskriminierung und Gewalt: Juden erleben auch heute noch Diskriminierung im Alltag, sei es in Schulen, am Arbeitsplatz oder in der Öffentlichkeit. Antisemitische Hassverbrechen, wie Übergriffe auf jüdische Personen oder Anschläge auf Synagogen, nehmen weltweit zu.

Islam

Der Islam ist eine der größten und am schnellsten wachsenden monotheistischen Religionen der Welt, gegründet auf den Lehren des Propheten Mohammed im 7. Jahrhundert. Der Islam betont den Glauben an einen einzigen Gott (Allah) und die Wichtigkeit der Unterwerfung unter seinen Willen. Die Religion ist umfassend und prägt das spirituelle, soziale, wirtschaftliche und politische Leben ihrer Anhänger.

Theologie und Glaube

Monotheismus (Tawhid): Der Islam ist streng monotheistisch. Der Glaube an die Einheit und Einzigartigkeit Gottes (Tawhid) ist das zentrale Element. Allah ist der Schöpfer, Erhalter und Lenker des Universums.

Glaubensbekenntnis (Shahada): Das grundlegende Glaubensbekenntnis des Islam lautet: „Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Gesandter“ (La ilaha illallah, Muhammadur rasulullah). Dieses Bekenntnis ist das erste der Fünf Säulen des Islam.

Heilige Schriften

Koran: Der Koran ist die heilige Schrift des Islam, die als die wörtliche Offenbarung Allahs an den Propheten Mohammed angesehen wird. Er besteht aus 114 Suren (Kapitel) und behandelt Themen wie Theologie, Recht, Ethik und persönliche Führung.

Hadith: Die Hadithe sind Berichte über die Worte, Taten und stillschweigenden Billigungen des Propheten Mohammed. Sie ergänzen den Koran und sind eine wichtige Quelle für islamisches Recht und Ethik.

Religiöse Praxis

Die Fünf Säulen des Islam: Die Fünf Säulen sind die grundlegenden Pflichten, die jeder Muslim erfüllen sollte:

  1. Shahada (Glaubensbekenntnis): Das Bekenntnis zu Allahs Einzigkeit und Mohammeds Prophetschaft.
  2. Salat (Gebet): Fünf tägliche Gebete, die zu festgelegten Zeiten verrichtet werden.
  3. Zakat (Almosen): Die Pflichtabgabe zur Unterstützung der Bedürftigen.
  4. Sawm (Fasten): Das Fasten im Monat Ramadan, bei dem von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Essen, Trinken und andere körperliche Bedürfnisse verzichtet wird.
  5. Haddsch (Pilgerfahrt): Die Pilgerfahrt nach Mekka, die jeder Muslim, der dazu in der Lage ist, mindestens einmal im Leben unternehmen sollte.

Kulturelle und ethische Dimensionen

Scharia: Die Scharia ist das islamische Gesetz, das aus dem Koran und den Hadithen abgeleitet wird. Es umfasst alle Aspekte des Lebens eines Muslims, einschließlich Gebet, Fasten, Ehe, Erbschaft und Strafrecht.

Gemeinschaft (Umma): Die Umma ist die weltweite Gemeinschaft der Muslime, die durch den Glauben und die Praxis des Islam verbunden ist. Solidarität, Unterstützung und Zusammenarbeit sind zentrale Werte innerhalb der Umma.

Ethik und Moral: Der Islam legt großen Wert auf ethisches Verhalten und soziale Gerechtigkeit. Prinzipien wie Ehrlichkeit, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Mitgefühl sind grundlegend. Die Pflege familiärer und sozialer Beziehungen wird stark betont.

These der „Auserwähltheit“ im Islam

Konzept der Umma: Im Islam gibt es kein direktes Konzept eines „auserwählten Volkes“ wie im Judentum. Vielmehr betont der Islam die Gemeinschaft (Umma) aller Gläubigen, unabhängig von ethnischer oder nationaler Zugehörigkeit.

Rolle der Muslime: Muslime sehen sich als diejenigen, die die letzte und vollständige Offenbarung Gottes erhalten haben. Sie haben die Verantwortung, den Islam zu praktizieren und zu verbreiten, um die Menschheit zur Wahrheit zu führen.

Gerechtigkeit und Barmherzigkeit: Die Verantwortung der Muslime umfasst die Schaffung einer gerechten und barmherzigen Gesellschaft. Der Koran und die Hadithe betonen immer wieder die Wichtigkeit der Fürsorge für die Schwachen und Bedürftigen und den Aufbau einer gerechten Gesellschaft.

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